Wie wird bei Pflanzen der Schlaf-Wach-Zyklus aufrechterhalten? Neue Forschungen an Pflanzenproteinen könnte uns dabei helfen, den circadianen Rhythmus von Menschen und deren Krankheiten besser zu verstehen.
Alle Lebensformen haben biologische Rhythmen. Diese komplexe Gruppe innerer Uhren wird hauptsächlich durch das Licht und dem Fehlen davon gesteuert. Der menschliche Körper sowie andere tagaktive lebende Organismen wissen von Natur aus, dass Licht anzeigt, wach zu werden und Dunkelheit signalisiert, dass es an der Zeit ist, zu schlafen. Wissenschaftler erforschen seit Jahrhunderten, wie Licht einen derartigen Einfluss haben kann und es kommt ständig zu neuen Entdeckungen. Überraschenderweise scheint es so zu sein, als ob eine Gruppe von Pflanzenproteinen (auch Cryptochrome genannt) für einen Großteil des menschlichen circadianen Rhythmus verantwortlich ist.
Wie wird Ihr Schlaf-Wach-Zyklus aufrechterhalten?
Menschen nehmen Licht über die Netzhäute ihrer Augen wahr, die die Lichtenergie in elektrische Wellen umwandeln, welche über Nervenfasern an den suprachiasmatischen Nukleus des Hypothalamus weitergeleitet werden. Dieser Teil des Hypothalamus regt wiederum andere Bereiche des Gehirns mithilfe von hormonellen Botenstoffen wie Melatonin und Cortisol dazu an, dem Rest des Körpers mitzuteilen, welche Tageszeit gerade vorherrscht. Pflanzen und Bakterien haben jedoch kein Gehirn, dennoch reagieren sie auf Licht.
Wie funktioniert das genau? Eine uralte Proteingruppe, die als Cryptochrome bekannt ist, hilft sowohl einfachen als auch komplexen Organismen dabei, ihre inneren Uhren richtig zu stellen. Noch interessanter ist, dass Menschen und Tiere ebenfalls Cryptochrome besitzen und von diesen scheinbar in vielerlei Hinsicht beeinflusst werden.
Die Rolle von Cryptochromen
Unsere circadianen Rhythmen regeln nicht nur den Schlaf, sondern auch das Wachstum, den Stoffwechsel und viele weitere wichtige Aufgaben. Ein Protein, das vor Jahrzehnten in Pflanzen entdeckt wurde und auch bei Menschen und Tieren vorherrscht, scheint eine entscheidende Rolle zu spielen. Cryptochrome stellen eine Proteingruppe dar, die sogar in den ältesten aller Pflanzenarten vertreten ist und die bei Dunkelheit aktiv wird. Diese Proteine sind daran beteiligt, Tieren zu signalisieren, wann es an der Zeit ist, zu wandern. Sie helfen Pflanzen dabei zu wissen, wann sie gedeihen sollen und sind sogar am Wachstum von menschlichen Krebszellen involviert. Eine aktuelle Untersuchung fand heraus, dass sie von eng zusammenhängenden Proteinen, die blaues Licht wahrnehmen, gehemmt werden.
Laut der neuesten Studie wachsen Pflanzen aufgrund von Hinweisen der Cryptochrome hauptsächlich nachts. Wenn jene Proteine, die Cryptochrome hemmen, nicht funktionieren, gedeihen die Pflanzen doppelt so schnell. Dieses Wissen könnte für die zukünftige Behandlung von Krebs wichtig sein, da Cryptochrome das Wachstum von Krebszellen zu unterstützen scheinen. Es könnte zudem für die Landwirtschaft relevant sein, um Pflanzen schneller sowie in geringer Zeit und mit weniger Ressourcen größer werden zu lassen.
Ein Vergleich zwischen Äpfeln und Menschen?
Viele mögen hinterfragen, wie diese Entdeckungen über Pflanzen die menschliche Gesundheit betreffen könnte. Es ist jedoch wichtig, dass wir uns daran erinnern, dass alles, was wir über die Chronobiologie (bzw. die Lehre über die inneren Uhren) wissen, mit Untersuchungen an Pflanzen begann. Im frühen 18. Jahrhundert fragte sich der Forscher Jacques d’Ortous de Mairan, ob das Öffnen und Schließen der Mimoseblätter durch das Sonnenlicht ausgelöst wurde. Nachdem er Pflanzen, die kein Licht abbekamen, nach draußen gestellt hatte, realisierte er, dass diese auch weiterhin am Tag ihre Blätter öffneten und in der Nacht schlossen. Die Schlaf-Wach-Zyklen dieser Pflanzen hielten sich auch ohne Hinweise wie Licht und Temperatur weiterhin aufrecht, was andere Wissenschaftler dazu anregte, diesen Vorgang ebenfalls genauer zu beleuchten. Das war das erste Mal, dass Forscher erkannt hatten, dass – auch wenn das Licht eine wichtige Rolle beim Verhalten von Pflanzen und Tieren spielt -, wir auch über innere Uhren verfügen, die unsere Aktivitäten regeln.
Obwohl wir viel über die circadianen Rhythmen von Pflanzen und Tieren wissen, gibt es noch immer eine Menge zu lernen. Die Frage „Wie werden Schlaf-Wach-Zyklen aufrechterhalten?“ ist der erste Schritt, um eine Reihe von Geheimissen zu lösen, die unsere Gesundheit und unser Verhalten betreffen.