Indem sie die therapeutischen Vorteile von den unerwünschten Wirkungen bekannter Adipositas-Medikamente trennten, fanden Forscher des Monell Chemical Senses Center eine Population von Neuronen im Gehirn, die die Nahrungsaufnahme kontrolliert, ohne im Tiermodell Übelkeit zu verursachen. Die Studie, die in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurde, beschreibt zwei verschiedene neuronale Schaltkreise, die unterschiedliche Wirkungen desselben Medikaments steuern. Die untersuchten Medikamente gehören zu den wirksamsten Medikamenten zur Gewichtsreduktion, die als lang wirkende Agonisten des Glucagon-like Peptide-1-Rezeptors (GLP1R) bekannt sind und neurochemische Reaktionen über im Körper exprimierte Rezeptoren auslösen.
Neuronen, die Sättigung und Übelkeit vermitteln, agieren unterschiedlich
Eines der wirksamsten und beliebtesten Medikamente auf GLP1-Basis – Semaglutid genannt und als Ozempic® und Wegovy® vermarktet – erzielte in klinischen Studien beeindruckende Ergebnisse bei der Gewichtsabnahme. Adipositas ist ein weltweites Problem, immer mehr Menschen kämpfen mit Übergewicht. Eines der Hindernisse bei der medikamentösen Behandlung von Fettleibigkeit sind laut der Hauptautorin der Studie, Amber L. Alhadeff, PhD, Monell Assistant Member, Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen. Die Forscher hatten keine gute Vorstellung davon, ob diese unangenehmen Nebenwirkungen mit der Gewichtsabnahme zusammenhängen oder für diese notwendig sind.
Um dies herauszufinden, untersuchte das Monell-Team jene Schaltkreise im Gehirn, die das Sättigungsgefühl nach der Einnahme einer Mahlzeit mit den Schaltkreisen verbinden, die das Vermeiden von Nahrungsmitteln aufgrund von Übelkeit verursachen. Sie fanden heraus, dass Neuronen im Hinterhirn beide Wirkungen dieser Adipositas-Medikamente vermitteln, und entdeckten überraschenderweise auch, dass die einzelnen Neuronen, die Sättigung und Übelkeit vermitteln, unterschiedlich sind.
Neuronenpopulation im Nucleus tractus solitarius als Ziel für künftige Adipositas-Medikamente
Die Zwei-Photonen-Bildgebung von GLP1R-Neuronen im Hinterhirn von lebenden Mäusen zeigte, dass die meisten einzelnen Neuronen so eingestellt sind, dass sie entweder auf nahrhafte oder aversive Reize reagieren, aber nicht auf beide. Darüber hinaus ergab die Studie, dass GLP1R-Neuronen in einem Teil des Hinterhirns, dem so genannten Area postrema, eher auf aversive Reize reagieren, während GLP1R-Neuronen in einem anderen Bereich, dem Nucleus tractus solitarius, eher auf nahrhafte Reize ansprechen.
Als nächstes manipulierte das Team die beiden Gruppen von GLP1R-Neuronen getrennt, um ihre Auswirkungen auf das Verhalten zu verstehen. Sie fanden heraus, dass die Aktivierung der Neuronen im Nucleus tractus solitarius ein Sättigungsgefühl ohne Aversionsverhalten auslöst, während die Aktivierung der Neuronen im Area postrema eine starke Aversionsreaktion auslöst. Wichtig ist, dass die Adipositasmedikamente die Nahrungsaufnahme auch dann verringerten, wenn der Aversionsweg gehemmt war.
Diese überraschenden Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Neuronenpopulation im Nucleus tractus solitarius (Gehirnregion, zuständig für die Geschmackswahrnehmung zuständig ist) ein Ziel für künftige Adipositasmedikamente sein könnte, um die Nahrungsaufnahme zu reduzieren, ohne dass die Betroffenen sich krank fühlen. Die Entwicklung experimenteller Adipositas-Medikamente, die diese Population selektiv aktivieren, könnte die Gewichtsabnahme fördern und gleichzeitig aversive Nebenwirkungen vermeiden. Tatsächlich, so die Autoren, könnte das Konzept der Trennung von therapeutischen und Nebenwirkungen auf der Ebene der neuronalen Schaltkreise theoretisch auf jedes Medikament mit Nebenwirkungen angewendet werden.