Einst wurde davon ausgegangen, dass Astrozyten lediglich die Rolle haben, das Gehirn strukturell zu unterstützen. Eine neue Untersuchung lässt jedoch darauf schließen, dass sie für das Stellen Ihrer inneren Uhr wichtig sind.
Unser Gehirn besteht aus vielen Arten von Zellen. Die meisten Menschen haben schon einmal etwas von Neuronen gehört, die elektrische Impulse senden und empfangen, die wiederum unsere Gedanken und Handlungen bilden. Astrozyten, eine weitere Zellart des Gehirns, haben sich in einer aktuellen Studie als wichtiger herausgestellt als bislang angenommen; vor allem, wenn es um die Zeiterfassung und die Aktivität unserer Meisteruhr geht.
Was versteht man unter Astrozyt?
Astrozyten gehören zu den unbekannten Helden unserer Gehirne. Sie bieten anderen filigranen Zellen und Geweben Halt und Schutz. Astrozyten haben häufig die Form eines Sterns, daher auch ihr Name. Sie helfen, das Wachstum des Gehirns zu leiten, speichern und verteilen Nährstoffe und erhalten die Blut-Hirn-Schranke aufrecht. Ohne diese winzigen Zellen würden sich unsere Gehirne weder entwickeln noch funktionieren. Vor kurzem wurde entdeckt, dass sie auch bei einer Vielzahl anderer Gehirnfunktionen beteiligt sind, mitunter Lernen und Stoffwechsel. Eine neue Untersuchung hat herausgefunden, dass Astrozyten auch im suprachiasmatischen Nukleus, der Meisteruhr des Gehirns, eine sehr wichtige Rolle spielen.
Wie Ihr Körper die Zeit erfasst
Der suprachiasmatische Nukleus (bzw. SCN) wirkt in unseren Gehirnen als Meisteruhr. Er koordiniert Signale von unseren Netzhäuten und anderen Organen, um unsere inneren Uhren entsprechend anzupassen. Die Aktivität von Zellen im SCN oszilliert entsprechend der wahrgenommenen Tageszeit zu unterschiedlichen Graden, wodurch Informationen über die Uhrzeit an weitere Teile des Gehirns und Körpers weitergeleitet werden. Unser Gehirn kann daraufhin Hormone wie Melatonin herstellen und unseren Schlaf-Wach-Zyklus anderweitig unterstützen.
Astrozyten und Ihre Meisteruhr
Seit mehr als einem Jahrzehnt haben Wissenschaftler versucht die Rolle der Astrozyten im suprachiasmatischen Nukleus zu erforschen, da diese Zellen einen erheblichen Anteil aller Zellen in diesem Bereich des Gehirns ausmachen. Vor kurzem kamen sie auf die Idee, bei Mäusen mithilfe eines Virus bestimmten Genen der Astrozyten ein biolumineszentes Protein hinzuzufügen. In Folge konnten die Forscher sehen, wann bestimmte Gene in den Astrozyten ausgedrückt wurden. Die Astrozyten wiesen einen unverkennbaren circadianen Rhythmus auf, wobei Gene über den Schlaf-Wach-Zyklus der Mäuse hinweg an- und ausgeschaltet wurden.
Warum wurde an Mäusen geforscht? Die Nagetiere haben einen sehr vorhersehbaren circadianen Rhythmus, der zudem leicht zu beobachten ist. Mäuse laufen, schlafen und führen andere Aktivitäten zu vorhersehbaren Tageszeiten aus. So beginnen sie beispielsweise jeden Tag zur gleichen Zeit im Rad zu laufen, außer ihr circadianer Rhythmus wurde gestört. Wenn die circadianen Uhrgene in ihren Astrozyten mithilfe einer neuen Gen-Schnitt-Technologie entfernt wurden, veränderte sich dieses Muster. Sie fingen später an zu laufen als geplant. Ähnlich verhielt es sich, wenn die genetischen Uhren in ihren Astrozyten so manipuliert wurden, dass sie schneller liefen. In Folge fingen die Mäuse an, früher als gewohnt im Rad zu laufen. Diese Auswirkungen traten auch dann auf, wenn die Neuronen der Mäuse nicht verändert wurden, was darauf schließen lässt, dass Astrozyten für die Festlegung des circadianen Rhythmus des SCN wesentlich sind. Matt Tso, ein Wissenschaftler, der bei dieser Studie der Washington University in St. Louis mitwirkte, räumt ein, dass dies überraschend war:
„Wir gingen davon aus, dass der SCN dem Tempo der Neuronen folgen würde. Es gibt im SCN 10-mal so viele Neuronen wie Astrozyten. Warum sollten sie den Astrozyten folgen?”
Ihre inneren Uhren stellen
Neuronen und Astrozyten scheinen zusammenzuarbeiten, um unsere Meisteruhr aufrechtzuerhalten und sorgen dafür, dass unsere Zellen die Zeit einhalten. Neuronen scheinen am Tag am aktivsten zu sein, Astrozyten hingegen nachts. Das lässt darauf schließen, dass diese zwei Arten von Zellen die Aktivität koordinieren. Wenn sie aktiv sind, schütten Astrozyten Glutamat aus, wodurch Neuronen gehemmt werden. Wenn die Aktivität der Astrozyte abnimmt, ermöglichen die niedrigeren Glutamatwerte Neuronen aktiv zu werden. Rob Jackson der Tufts University merkt an, dass dies auch bei Glühwürmchen und anderen Tieren festgestellt wurde:
„Es ist recht interessant, dass Astrozyten Elemente der Kreisläufe bilden, die bei so unterschiedlichen Tieren wie Fliegen und Mäusen rhythmische Verhaltensweisen antreiben. Es handelt sich hierbei vermutlich um einen recht globalen Mechanismus.“
Sie haben bestimmt schon einmal den Spruch gehört „Es gibt solche und solche”, der sich auf Menschen bezieht. Dieser Spruch trifft jedoch erst recht auf das Gehirn zu. Unser Gehirn benötigt die Tätigkeit vieler verschiedener Zellarten, um unsere Meisteruhr zu stellen, unsere Gedanken zu bilden und uns dabei zu helfen, wir selbst zu sein.