Die Behandlung von Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen kann für heutige Ärzte eine Herausforderung darstellen und leider steht hierbei viel auf dem Spiel. In den Vereinigten Staaten bekommen jedes Jahr 720.000 Menschen einen Herzinfarkt, wobei 60 Millionen an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung leiden. Auch in vielen europäischen Ländern ist diese Rate sehr hoch (Deutschland: ca. 280.000 Herzinfarkt-Fälle pro Jahr; Österreich: ca 27.000. pro Jahr). Den Blutdruck auf einem normalen Niveau zu halten, ist für die Gesundheit des Herz-Kreislauf-Systems äußerst wichtig, da dadurch Herzinfarkten und Schlaganfällen vorgebeugt wird.
Obwohl fast jedes Jahr neue Wundermedikamente auf den pharmazeutischen Markt kommen, leben noch immer viele Menschen mit unkontrollierbar hohem Blutdruck und dem damit verbunden hohen Risiko eines Herzinfarkts. Aktuelle Studien im Bereich der Chronobiologie zeigen jedoch, dass Chronotherapie, bzw. die zeitliche Abstimmung von Therapien und Medikamenten mit dem circadianen Rhythmus, eine zuversichtliche neue Behandlungsmöglichkeit sein könnte.
Die innere Uhr der Herz-Kreislauf-Funktion
Wie fast alle Systeme des menschlichen Körpers folgen die Herz-Kreislauf-Funktionen einer 24 Stunden Uhr, bzw. einem circadianen Rhythmus. Kurz bevor der Mensch aufwacht, beginnt der Körper damit, jene Hormonwerte, die mit dem Wachsein in Verbindung stehen wie Cortisol, Katecholamine und Angiotensine, zu erhöhen. Diese steigern den Blutdruck und den Pulsschlag, die einen gesunden Menschen darauf vorbereiten, aufzuwachen und mit den täglichen Aktivitäten zu beginnen. Bei Menschen mit einer Herzerkrankung stellt jedoch eine rasche Zunahme dieser Hormone ein Gesundheitsrisiko dar. Herzinfarkte treten aufgrund der darausfolgenden Steigerung des Blutdruckes und Pulses am häufigsten am Morgen auf und führen am ehesten zu einem plötzlichen Tod.
Der Blutdruck steigt in der Früh weiter an, wenn die Person aufsteht und sich zu bewegen beginnt. Dies beansprucht das Herz noch stärker, da es mehr Blut pumpen muss, um die Sauerstoffzufuhr des Körpers aufrecht zu erhalten. Auch Blutplättchen neigen dazu, eher am Morgen zu verklumpen, wodurch sich das Risiko eines Schlaganfalls und anderer kardiovaskulärer Ereignisse erhöht.
Nachdem der Blutdruck am Morgen seinen Höchststand erreicht hat, nimmt er über den Tag hinweg ab und erreicht seinen 24-Stunden-Tiefpunkt zwischen Mitternacht und 3 Uhr Früh. Der Puls folgt dem gleichen grundlegenden Rhythmus. Wissenschaftler glauben, dass sowohl der Blutdruck als auch die Herzfrequenz zum großen Teil vom Sympathikustonus geregelt werden, einem biologischen System, das durch Hormone wie Adrenalin und Noradrenalin agiert. Der Sympathikustonus ist während des Tages höher, um den Körper und den Geist aufmerksam und für Tätigkeiten bereit zu halten.
Dipper und Non-Dipper
Als sie den Rhythmus von Herzinfarkten und dem Blutdruck untersuchten, realisierten Forscher der circadianen Biologie sehr schnell, dass ihre Patienten einem von zwei täglichen Mustern folgten. Diese zwei Patientengruppen wurden als Dipper (zu Deutsch: Fallende) und Non-Dipper bezeichnet. Dipper haben einen nächtlichen Blutdruck, der mindestens 10% geringer ist als ihr Blutdruck am Tag, während Non-Dipper eine viel geringere Senkung aufweisen. Dies ist entscheidend, da Non-Dipper einem höheren Risiko ausgesetzt sind, aufgrund eines kardiovaskulären Ereignisses zu sterben, weswegen ein normaler circadianer Rhythmus für die Herzgesundheit und Krankheitsvorbeugung wichtig zu sein scheint. Non-Dipper weisen ein besonders hohes Risiko auf, nachts einen Herzinfarkt zu erleiden.
Chronotherapie: Die Anwendung von neuem Wissen
Medikamente für den Blutdruck und andere Behandlungen für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zeitlich abzustimmen, könnte jenen Menschen Hilfe bieten, die an Bluthochdruck leiden, der schwer in den Griff zu bekommen ist. Mehrere aktuelle Chronobiologiestudien legen nahe, dass die Wirkung von Medikamenten maximiert und Nebenwirkungen minimiert werden können, indem sie zu bestimmten Tageszeiten eingenommen werden. So reduziert beispielsweise Beta-Adrenorezeptor Antagonisten, die vielen als Betablocker bekannt sind, den Blutdruck während des Tages deutlich. Diese haben aber nur eine geringe Auswirkung auf den nächtlichen Blutdruck. Daher sind diese Art von Medikamenten bei Patienten, die zu den Dippern zählen, besonders wirkungsvoll. Non-Dipper könnten jedoch für den nächtlichen Bluthochdruck ein anderes Mittel benötigen.
Kalziumkanalblocker, bei dem es sich um ein weiteres häufig verwendetes Medikament bei Bluthochdruck handelt, weisen eine verringerte Bioverfügbarkeit auf, wenn sie am Abend verabreicht werden. Dennoch sind bestimmte Arzneien dieser Gruppe für den nächtlichen Blutdruck von Non-Dippern hilfreich. Zwei Medikamente wandeln den Bluckdruck von Non-Dippern sogar wieder in einen normalen Blutdruckrhythmus eines Dippers um, wodurch sich die Möglichkeit eines plötzlichen Todes reduzieren könnte.
ACE-Hemmer werden einmal pro Tag eingenommen. Personen, die zu den Non-Dippern gehören, stellen eine drastische Verringerung des Blutdrucks fest, wenn sie diese in der Nacht und nicht am Morgen einnehmen. Die richtige zeitliche Abstimmung dieses Medikaments könnte viele vor Herzinfarkten schützen, die bei Non-Dippern in der späten Nacht beobachtet wurden.
Der circadiane Rhythmus einer Person sowie die Tatsache, ob sie zur Gruppe der Dipper oder Non-Dipper zählt, kann einen großen Unterschied machen, wenn es darum geht, welche Behandlung zu welcher Zeit am effektivsten ist. Zahlreiche Leben könnten gerettet werden, indem Patienten darauf untersucht werden, inwieweit sich ihr Blutdruck in der Nacht verändert und indem die Chronotherapie auf den jeweiligen Typ abgestimmt wird. Diese neuen Befunde bieten Menschen Hoffnung, die sich damit schwer tun, den Bluthochdruck in den Griff zu bekommen sowie jenen Medizinern, die sie dabei unterstützen.