Wenn es um Krebsbehandlung und Chemotherapie geht, ist es selbstverständlich, dass jeder Beteiligte das bestmögliche Ergebnis erzielen möchte. Aktuelle Forschungen, bei denen Chronobiologie und Chemotherapie miteinander in Verbindung gebracht wurden, enthüllen den optimalen Zeitpunkt für die Verabreichung von Chemotherapeutika, um das beste Resultat zu erzielen. Ein individualisiertes Arzneiregime könnte effektivere und weniger schädliche Behandlungen bedeuten.
Was sind circadiane Rhythmen?
Jedes Lebewesen, das dem Sonnenlicht ausgesetzt ist, besitzt eine innere Uhr mit inneren Rhythmen, die sich an die Umgebung anpassen. Circadiane Rhythmen werden meist mit ihrer Rolle in unserem Schlaf-Wach-Rhythmus in Verbindung gebracht, Forschungen decken jedoch immer weiter auf, wie stark die vielen inneren Uhren des Körpers unsere biochemische, physiologische und psychologische Arbeitsweise beeinflussen.
Jede Zelle unseres Körpers besitzt seine eigene Uhr. Diese inneren Uhren haben einen 24-Stunden-Rhythmus und unter anderem Einfluss auf Hunger, Herzfunktion, Immunität, kognitive Klarheit, Stimmung, und Stressbewältigungsmechanismen. Aufgrund der Beweislage, dass eine Störung der biologischen Uhr zu zahllosen Erkrankungen führen kann, ist es wichtig, dass wir das Zusammenspiel unseres Körpers mit seinen natürlichen Rhythmen besser verstehen.
Chronobiologie und Chemotherapie: Circadiane Rhythmen beeinflussen die Krebsbehandlung
Eine Gruppe von Forschern der Universität in North Carolina am Chapel Hill’s Sancar Lab konzentrierte sich darauf, wie diese circadianen Rhythmen die DNA-Reparatur der Zellen direkt beeinflussen. Die Forschungsarbeit des Teams bezüglich Chemotherapie und Zellschäden deutet darauf hin, dass es eine Hauptzeit gibt, in der man Chemotherapie-Medikamente einnehmen sollte, um die besten Ergebnisse mit den wenigsten Nebenwirkungen zu erzielen.
Aziz Sancar, Professor für Biochemie und Biophysik an der Universität in North Carolina am Chapel Hill: „wir fanden heraus, dass es beinahe 2.000 Gene gibt, von denen je nach Gen verschiedene Teile zu verschieden Tageszeiten repariert werden.“ Professor Sancar erhielt 2015 zusammen mit Kollegen den Nobelpreis für Chemie für ihre Arbeit zum Verständnis der zugrunde liegenden Mechanismen der DNA-Reparatur. Das Team des Sancar-Labors forscht weiterhin angestrengt daran, wie circadiane Rhythmen die DNA-Reparatur beeinflussen.
Krebs, Cisplatin, und die Rolle des circadianen Rhythmus bei der Behandlung
Auf früheren Forschungen zum Thema circadiane Uhr und Chemotherapie aufbauend, geben die neuesten Anstrengungen des Teams noch mehr Aufschluss darüber, welchen Einfluss biologische Uhren auf die DNA-Reparatur während der Chemotherapie mit dem meist verwendeten Krebsmedikament Cisplatin haben. Im Rahmen ihrer neuesten Arbeit untersuchte das Team, wie die Gene innerhalb des Nieren- und Lebergewebes von Mäusen innerhalb der 24 Stunden nach der Behandlung auf das Cisplatin reagiert. Die Ergebnisse wurden kürzlich in der Zeitschrift PNAS veröffentlicht.
Cisplatin ist das meistverwendete Krebsmedikament bei der Behandlung von Krebsarten wie Brust-, Dickdarm-, Lungen-, Eierstock-, und Hodenkrebs. Das Medikament tötet effektiv Krebszellen ab, indem es ihre Zell-DNA schädigt. Es schädigt jedoch auch die DNA der gesunden Zellen, wodurch gefährliche Nebenwirkungen entstehen, die manchmal behandelt werden müssen, um sie stoppen zu können. Da sowohl gesunde als auch kanzeröse Zellen in der Lage sind, den durch Cisplatin verursachten Zellschaden zu reparieren, hält man sich bei einer erfolgreichen Behandlung daran, das Krebsgewebe dann zu schädigen, wenn es sich gerade nicht reparieren kann. Gleichzeitig wird so viel gesundes Gewebe wie möglich geschont.
Im Rahmen von Forschungen der letzten Jahrzehnte wurde die Verbindung zwische Chronobiologie und Chemotherapie untersucht, in der Hoffnung, die Therapie besser zeitlich abstimmen zu können. Aber auch wenn die Ergebnisse vielversprechend waren, scheiterten die Experimente letztendlich eher aufgrund der willkürlichen Auswahl des Zeitpunktes, nicht wegen der Signale der Zelluhren. Professor Sancars Team entwickelte eine Technik, mit welcher überwacht werden kann, wie und wann bestimmte DNA-Segmente repariert werden. Im Rahmen ihrer neuesten Arbeit untersuchte das Team mehr als 25.000 Gene mit dieser Methode, um herauszufinden, wie genau die DNA der Nieren- und Leberzellen der Mäuse reagierten, nachdem sie mit Cisplatin behandelt wurden. Die Ergebnisse zeigten, dass bestimmte Gene die Reparatur immer am Morgen durchführten, andere am Abend.
Unterschiedliche Gene reparieren sich zu unterschiedlichen Tageszeiten
Laut Yanyan Yang, einem Forscher der Universität in North Carolina am Chapel Hill, der im Anschluss an seine Promotion in Biochemie und Biophysik der Leiter des Teams war: „wir stellten fest, welches krebserregende Gen, und welches krebsverhindernde Gen gerade repariert wird, wenn das Medikament zu einer bestimmten Tageszeit verabreicht wird. Manche Gene wurden immer bei Tagesanbruch wiederhergestellt, andere während der Abenddämmerung. Dies deutet darauf hin, dass der beste Zeitpunkt für eine Chemotherapie dann ist, wenn gesunde Zellen ihre DNA erfolgreich wieder aufbauen können, und die Tumorzellen nicht.“
Das Team hofft, dass es seine Ergebnisse in zukünftigen Studien bei menschlichen Geweben anwenden kann. Seine Arbeit könnte möglicherweise den Weg für eine Zukunft ebnen, in der Chemotherapie personalisiert wird, um sie sowohl an die circadiane Uhr des Patienten, als auch die der Krebserkrankung anzupassen. So könnten Therapien deutlich ungefährlicher und effektiver werden, als sie es derzeit sind.
„Mithilfe weiterer Tests hoffen wir, zu bestimmen, ob eine Chronotherapie mit Cisplatin die Überlebensrate bei Krebspatienten steigern kann“, so Yang.