Der Mensch ist ein Wesen, das von Rhythmen beherrscht wird. Die chemischen Gezeiten unseres Körpers ebben und fließen ständig in einem komplexen Muster sich überlappender Zyklen. Diese Zyklen reagieren auf eine Reihe von Umweltfaktoren, von der Menge an Sonnenlicht, die wir erhalten, bis hin zu dem, was wir jeden Tag zu Mittag essen. Tatsächlich sind wir so sehr an diese Zyklen gebunden, dass ihr ein ganzer Zweig der Biologie gewidmet ist: die Chronobiologie.
Durch ein besseres Verständnis der verschiedenen intrinsischen Rhythmen, durch die sich unser Körper selbst reguliert, können wir Störungen, die entweder diese Rhythmen stören oder die direkte Folge einer Störung sind, effektiver behandeln. In diesem Sinne sind circadiane Schlafstörungen, die sich auf vielfältige Weise manifestieren, eine solche Gruppe von Störungen, die von Wissenschaftlern besonders untersucht wird.
Circadiane Rhythmen
Fast jeder hat den Begriff schon einmal in einem Gesprächen gehört, aber um den Kern des Problems und die Ursache von Schlafstörungen zu erkennen, müssen wir uns die Mühe einer präziseren Definition machen. Unsere Körperfunktionen laufen nach einer circadianen Uhr und zwar in einem Zyklus, der etwas länger als 24 Stunden dauert. Diese Uhr wird von einem Teil des Gehirns gesteuert, der als suprachiasmatischer Nukleus (SCN) bezeichnet wird und Funktionen wie Körpertemperatur, Hormonausschüttung und auch rhythmische Abläufe wie Schlafen und Aufwachen leitet.
Die circadiane Uhr selbst wird in erster Linie durch visuelle Lichtreize gelenkt, die über das Auge empfangen werden und über Nervenbahnen im Gehirn direkt zum SCN gelangen. Jedoch benutzt der menschliche Körper andere Zeitfenster wie etwa Perioden erhöhter Anstrengung und Essenszeiten, um diese Uhr zu synchronisieren. Diese Aktivitäten gehen auch einher mit größeren Hormon- und Energiefluktuationen, der Ausschüttung oder Aufnahme von Zucker im Blut und dem Ankurbeln und Herunterfahren des zellulären Stoffwechsels. Daher ist der Mitternachtssnack ein komplexes Vorhaben und weit mehr als nur der kurze Sprung zum Kühlschank, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag.
Was ist eine circadiane Schlaf-Wach-Rhythmusstörung?
Eine circadiane Schlaf-Wach-Rhythmusstörung kann als jede Störung der inneren Uhr des Körpers, die Unfähigkeit der inneren Uhr, jeden 24-Stunden-Zeitraum mitzunehmen, oder eine Diskrepanz zwischen der inneren Uhr einer Person und der Umgebung um sie herum, definiert werden. Menschen mit einer solchen Störung können eines der folgenden Probleme haben:
- Der Schlaf ist weder erfrischend noch erholsam
- Schlaflosigkeit, Einschlafschwierigkeiten oder Tagesschläfrigkeit
- Chronische Schlafstörungen wie häufiges Aufwachen oder zu frühes Aufwachen und die Unfähigkeit, wieder einzuschlafen
- Erhebliche Beeinträchtigung der geistigen, emotionalen, körperlichen, sozialen, beruflichen oder schulischen Leistungsfähigkeit
Verzögerte Schlafphasenstörung (DSPD)
Bei der verzögerten Schlafphasenstörung beginnt der Schlaf-Wach-Zyklus mindestens zwei Stunden später als üblich. Dieses Phänomen tritt normalerweise bei Jugendlichen und jüngeren Erwachsenen auf (betrifft bis zu 7 – 16 Prozent) und wird mit „Nachteulen“ in Verbindung gebracht, die typischerweise bis in die frühen Morgenstunden wach bleiben und bis in den Nachmittag schlafen können. Menschen, die darunter leiden, berichten von chronischer Schlaflosigkeit. Sie können auch Schwierigkeiten beim Einschlafen haben. Es kann auch eine hohe Inzidenz von DSPD in ihrer Familienanamnese geben. Obwohl Menschen mit DSPD oft unzureichend schlafen, wenn sie versuchen, einen „normalen“ Schlaf-Wach-Rhythmus einzuhalten, erleben sie, wenn sie ihren bevorzugten Schlafplan einhalten dürfen, sehr stabile Schlafmuster.
Fortgeschrittene Schlafphasenstörung (ASPD)
Diese Störung, die typischerweise von älteren Erwachsenen erlebt wird, ist im Wesentlichen das Gegenteil von DSPD und wird mit „Morgenmenschen“ assoziiert, die zwei oder mehr Stunden früher als normal aufwachen – zwischen 3 und 5 Uhr – und es vorziehen, zwischen 18 und 21 Uhr ins Bett zu gehen. Viele, die an dieser Störung leiden, sind mittleren Alters, und es wurde beobachtet, dass die Inzidenz von ASPD mit dem Alter zunimmt. Wenn Betroffene ihren bevorzugten Schlafrhythmus einhalten dürfen, sind ihre Schlafmuster jedoch äußerst stabil.
Unregelmäßige Schlaf-Wach-Rhythmus-Störung
Die unregelmäßige Schlaf-Wach-Rhythmus-Störung beinhaltet inkonsistente Schlafmuster ohne Korrelation zu Tag-Nacht-Zyklen. Jene, die an dieser Störung leiden, haben typischerweise zusätzlich zur Tagesschläfrigkeit Schwierigkeiten beim Einschlafen und Durchschlafen. Diese Schlafstörung tritt am häufigsten bei Menschen mit neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer, Huntington oder Parkinson auf.
Nicht-24-Stunden-Schlaf-Wach-Syndrom
Bei der Nicht-24-Stunden-Schlaf-Wach-Rhythmusstörung wird die innere Uhr des Körpers nicht zurückgesetzt, was zu einem sich ständig ändernden Schlaf-Wach-Zyklus führt. Schlaflosigkeit und Tagesschläfrigkeit sind häufige Symptome dieser Störung, die vor allem völlig Blinde betrifft. Tatsächlich leiden fast 50 Prozent aller Menschen in dieser Gruppe an einer Nicht-24-Stunden-Schlaf-Wach-Rhythmusstörung.
Schichtarbeiter-Syndrom
Diese Störung wird häufig von Menschen erlebt, die in Spät- oder Frühschichten arbeiten. Sie ist verbunden mit Schläfrigkeit bei der Arbeit und der Unfähigkeit, tagsüber und am frühen Abend zu schlafen, wenn die meisten anderen wach sind. Menschen, die tägliche (Tages-)Aktivitäten bevorzugen, können besonders gefährdet sein, da ihre natürliche Neigung darin besteht, tagsüber wach zu sein und nachts zu schlafen.
Jetlag
Flüge, die mehrere Zeitzonen überqueren, können einen Zustand verursachen, der allgemein als Jetlag bekannt ist, bei dem sich die innere Uhr einer Person in Bezug auf die lokale Zeit neu einstellen muss. Zu den Symptomen des Jetlags gehören Ein- und Durchschlafstörungen sowie Tagesmüdigkeit. Bei Jetlag-Betroffenen können bis zu ein oder zwei Wochen nach der Reise Symptome auftreten.
Prospektive Behandlungsschemata
Für die Mehrheit der Schlafstörungen, die nicht auf organischen oder psychologischen Fehlfunktionen beruhen, wie etwa unter anderem Demenz, stehen verschiedene praktisch erprobte Therapiemöglichkeiten zur Verfügung. Vor der Verschreibung eines Hypnotikums empfehlen Ärzte und Spezialisten oft alternative Vorgehensweisen, wie die folgenden:
Änderungen des Lebensstils
Änderungen des Lebensstils, welche die Symptome bestimmter Schlafstörungen verbessern können, umfassen die Anpassung der Tageslichtexposition, die Änderung des normalen Tagesablaufs – wie Sport und Essenszeiten – und die Einführung eines geplanten Nickerchens während des Tages.
Lichttherapie
Der Patient wird tagsüber für einen bestimmtem Zeitraum intensivem hellem Licht ausgesetzt. Durch diese Therapie soll der Körper bei der Neueinstellung der circadianen Uhr unterstützt werden.
Schlafhygiene
Schlafhygiene umfasst die Aufklärung darüber, wie gesunde Schlafgewohnheiten gefördert werden können. Dazu zählen Maßnahmenn wie z.B. mindestens eine Stunde vor dem Schlafengehen auf elektronische Geräte wie TV- und Computer zu verzichten, und von einer Selbstmedikation durch Medikamente und Alkohol abzusehen. Außerdem wird gelehrt, wie körperliche Betätigung und Essenszeiten den circadianen Rhythmen beeinflussen.
Melatonin
Dieses Hormon wird nachts auf natürliche Weise vom Gehirn produziert und scheint eine Rolle bei der Regulierung des circadianen Zyklus zu spielen. Bei der Melatonintherapie werden Patienten zu bestimmten Zeiten auf sie abgestimmte Melatonindosen verschrieben.
Zu verstehen, wie der circadiane Rhythmus sowohl die Lebensgewohnheiten als auch die zugrunde liegenden physiologischen und Umweltfaktoren beeinflusst und beeinflusst wird, ist entscheidend, um Menschen zu helfen, Schlafstörungen zu lindern. Es kann einigen Menschen helfen, zu wissen, dass sie ihre Schlafqualität enorm beeinflussen können, indem sie einfach die stimulierenden Lichtsignale vermeiden, die von Computern und Fernsehgeräten gesendet werden, die dem Gehirn signalisieren, dass es aufwachen soll. Manchmal sind jedoch intensivere Therapien erforderlich, um eine schwerwiegendere circadiane Störung zu lindern.
Was bei der Bekämpfung dieser Störungen am wichtigsten ist, ist die Tatsache, dass Menschen bis vor etwas mehr als einem Jahrhundert keinen Strom in ihren Häusern hatten. Zudem verliefen die Anforderungen an den Arbeitsplatz bis zur industriellen Revolution sehr unterschiedlich. Die Ära moderner Technologien und industrialisierter Arbeitsideologien wie Überstunden sind äußerst neu.
Im Vergleich dazu, sind unser Gehirn, der SCN, die circadiane Uhr und unser Schlafbedürfnis sehr alt. Wie bei der Diagnose unbekannter allergischer Reaktionen ist die Beseitigung der wahrscheinlichen Ursachen von Schlafstörungen der umsichtigste Weg. Während Medikamente manchmal durchaus Sinn machen, können eine gute Schlafhygiene, die Anpassung der Lebensroutine und die Erforschung sicherer alternativer Therapien zu unglaublichen Ergebnissen führen.