Neue Forschungsergebnisse eines multidisziplinären Teams tragen dazu bei, jene Mechanismen hinter circadianen Rhythmen zu beleuchten, und bieten neue Hoffnung für den Umgang mit Jetlag, Schlaflosigkeit und anderen Schlafstörungen. Mithilfe innovativer Kryo-Elektronenmikroskopie-Techniken haben die Forscher die Struktur des Photosensors für den zirkadianen Rhythmus und sein Ziel in Fruchtfliegen (Drosophila melanogaster) identifiziert, einem der wichtigsten Organismen, die zur Untersuchung des circadianen Rhythmus verwendet werden. Die aktuelle Forschungsarbeit „Cryptochrome-Timeless Structure Reveals Circadian Clock Timing Mechanisms“ wurde in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.
Cryptochrome bei der Einstellung der inneren Uhr beteiligt
Die Forschung konzentrierte sich auf Cryptochrome von Fruchtfliegen, Schlüsselkomponenten der circadianen Uhren von Pflanzen und Tieren, einschließlich Menschen. Cryptochrome stellen eine Proteingruppe dar, die sogar in den ältesten aller Pflanzenarten vertreten ist und die bei Dunkelheit aktiv wird. Diese Proteine sind daran beteiligt, Tieren zu signalisieren, wann es an der Zeit ist, zu wandern. Sie helfen Pflanzen, zu wissen, wann sie gedeihen sollen und sind sogar am Wachstum von menschlichen Krebszellen involviert.In Fliegen und anderen Insekten dienen Kryptochrome, die durch blaues Licht aktiviert werden, als primäre Lichtsensoren für die Einstellung des circadianen Rhythmus. Das Ziel des Cryptochrom-Fotosensors, bekannt als „Timeless“ (TIM), ist ein großes, komplexes Protein, das zuvor nicht abgebildet werden konnte und dessen Wechselwirkungen mit dem Cryptochrom daher nicht gut verstanden sind.
Circadiane Rhythmen funktionieren über genetische Rückkopplungsschleifen. Die Forscher fanden heraus, dass das TIM-Protein zusammen mit seinem Partner, dem Period (PER)-Protein, zusammenwirkt, um jene Gene zu hemmen, die für ihre eigene Produktion verantwortlich sind. Mit geeigneten Verzögerungen zwischen den Ereignissen der Genexpression und -repression wird eine Oszillation der Proteinspiegel etabliert. Diese Oszillation stellt „das Ticken der Uhr dar und scheint ziemlich einzigartig für den circadianen Rhythmus zu sein. Blaues Licht verändert die Chemie und Struktur des Flavin-Cofaktors von Cryptochrom, was es dem Protein ermöglicht, das TIM-Protein zu binden und die Fähigkeit von TIM zu hemmen, die Genexpression zu unterdrücken und dadurch die Oszillation zurückzusetzen.
Die neuen Methoden ermöglichten es den Wissenschaftlern, detaillierte Bilder der Proteinstrukturen zu erhalten und wertvolle Einblicke in ihre Funktion zu gewinnen. Diese Forschung vertieft nicht nur das Verständnis darüber, wie der ciradiane Rhythmus reguliert wird, sondern eröffnet auch neue Möglichkeiten für die Entwicklung von Therapien, die auf verwandte Prozesse abzielen. Ein unerwartetes Ergebnis der Studie gibt Aufschluss darüber, wie DNA-Schäden in einer Zelle repariert werden. Cryptochrome sind eng verwandt mit einer Familie von Enzymen, die an der Reparatur von DNA-Schäden beteiligt sind, den so genannten Photolyasen.
Besseres Verständnis über das menschliche Schlafverhalten
Die Studie bietet auch eine Erklärung für die genetische Variation von Fliegen, die es ihnen ermöglicht, sich an höhere Breiten anzupassen, wo die Tage im Winter kürzer sind, und es kühler ist. Diese Fliegen haben eher eine bestimmte genetische Variante, die eine Veränderung des TIM-Proteins beinhaltet, und es war nicht klar, warum diese Variation ihnen helfen könnte. Die Forscher fanden heraus, dass aufgrund der Art und Weise, wie das Cryptochrom TIM bindet, die Variation die Affinität von TIM zum Cryptochrom verringert. Die Wechselwirkung zwischen den Proteinen wird dann moduliert und die Fähigkeit des Lichts, die Schwingung zurückzusetzen, wird verändert, wodurch die circadiane Uhr verändert und die Ruhezeit der Fliege verlängert wird, was ihr hilft, den Winter zu überleben.
Einige der Wechselwirkungen, die die Forscher in den Fruchtfliegen sehen, können auf menschliche Proteine abgebildet werden. Laut den Experten kann die Studie dabei helfen, die wichtigsten Wechselwirkungen zwischen Komponenten zu verstehen, die das Schlafverhalten von Menschen regulieren, beispielsweise wie die kritischen Verzögerungen im grundlegenden Timing-Mechanismus in das System eingebaut werden.
Circadiane Störungen behindern die Neurogenese
Neue Forschungen an der University of Massachusetts Amherst konzentrierten sich auf die Grundursache für nachteilige gesundheitliche Auswirkungen durch Störungen des circadianen Rhythmus des Körpers, die typischerweise aufgrund von Jetlag und wechselnde Arbeitsschichten auftreten.
Die in der Zeitschrift eNeuro veröffentlichte Forschungsarbeit zeigt, dass das Gen für die circadiane Uhr Cryptochrom 1 (Cry 1) die Neurogenese bei Erwachsenen reguliert – die fortlaufende Bildung von Neuronen im Hippocampus des Gehirns. Die Neurogenese von Erwachsenen unterstützt Lernen und Gedächtnis, und eine Störung wurde mit Demenz und psychischen Erkrankungen in Verbindung gebracht. Circadiane Störungen wirken sich auf viele Dinge aus. Es gibt Verbindungen zu Krebs, Diabetes und Bluthochdruck sowie nachteilige Auswirkungen auf die Neurogenese.
Die Zellgeburt und das Überleben im erwachsenen Hippocampus werden durch eine circadiane Uhr reguliert, sodass ihre Störung den Prozess der Neurogenese stören kann. Die Ergebnisse stützen die Hypothese, dass es diese innere Fehlausrichtung ist, dieser Zustand der Desynchronität zwischen und innerhalb von Organen, der während des Jetlags auftritt, der für die nachteiligen Auswirkungen auf die Neurogenese verantwortlich ist – und für andere nachteilige gesundheitliche Auswirkungen durch circadiane Störungen.
Circadiane Fehlausrichtung bei Jetlag
Um ihre Hypothese zu testen, untersuchten die Forscher die Zellgeburt und -differenzierung bei syrischen Hamstern mit einer rezessiven Mutation im Cry-1-Gen, die die Uhr unter konstanten Bedingungen beschleunigt und ihre Fähigkeit, sich als Reaktion auf Licht zu verschieben, dramatisch beschleunigt. Die Forscher nannten die Mutation, die in früheren Forschungen entdeckt wurde, Duper. Das Forschungsteam testete auch eine Kontrollgruppe von Hamstern ohne die Duper-Mutation. Beide durchliefen die gleiche Abfolge von Veränderungen im Lichtzyklus. Sie simulierten Jetlag in Form von achtstündigen Vorläufen und Verspätungen in acht Intervallen von 16 Tagen. In der Mitte des Experiments wurde ein Zellgeburtsmarker gegeben. Die Ergebnisse zeigten, dass Jetlag kaum Auswirkungen auf die Zellgeburt hat, aber Zellen davon abhält, Neuronen zu werden. Duper sind immun gegen diesen Effekt von Phasenverschiebungen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die circadiane Fehlausrichtung beim Jetlag entscheidend ist.
Das ultimative Ziel der Forscher ist es, das Verständnis der an der biologischen Uhr des Menschen beteiligten Wege zu verbessern, was zur Vorbeugung oder Behandlung der Auswirkungen von Jetlag, Schichtarbeit und Störungen des circadianen Rhythmus führen könnte.
Jetzt wird sich das Team einer „großen unbeantworteten Frage“ zuwenden, nämich „ob es der Betrieb der circadianen Uhren im Hippocampus ist, der direkt durch Verschiebungen des Licht-Dunkel-Zyklus reguliert wird, oder ob die Neurogenese von biologischen Uhren gesteuert wird, die in Zellen an anderen Stellen im Körper arbeiten.“ Eine andere Möglichkeit, die die Forscher für wahrscheinlicher halten, ist, dass der Master-Schrittmacher im Nucleus suprachiasmaticus des Hypothalamus im Gehirn die Lichtverschiebung erkennt und sie dann an die Stammzellpopulation weiterleitet, die sich im Hippocampus teilen und differenzieren muss.