Unsere Augen sind normalerweise geschlossen, wenn wir schlafen. Unter unseren geschlossenen Lidern spielt sich jedoch eine rege Aktivität ab: Ein Forscherteam unter der Leitung der leitenden Forscherinnen Caroline Lustenberger, Sarah Meissner und Nicole Wenderoth vom Labor für neuronale Bewegungskontrolle an der ETH Zürich hat beobachtet, dass die Größe der Pupille während des Schlafs ständig schwankt.
Die Pupille während des Schlafs
Manchmal vergrößert sie sich, manchmal verkleinert sie sich; manchmal treten diese Veränderungen innerhalb von Sekunden auf, manchmal erst im Laufe von mehreren Minuten. „Diese Dynamik spiegelt den Erregungszustand oder den Grad der Gehirnaktivierung in den Regionen wider, die für die Schlaf-Wach-Regulation verantwortlich sind“, sagt Lustenberger. “Diese Beobachtungen widersprechen der bisherigen Annahme, dass der Erregungsgrad im Schlaf grundsätzlich niedrig ist.“
Stattdessen zeigen diese Schwankungen der Pupillengröße, dass das Gehirn selbst im Schlaf ständig zwischen einem höheren und einem niedrigeren Aktivierungsniveau wechselt. Diese neuen Erkenntnisse bestätigen auch für den Menschen, was andere Forschungsgruppen kürzlich in Studien an Nagetieren entdeckt haben, die ebenfalls langsame Schwankungen des Aktivierungsniveaus (in der Fachwelt als Arousal bekannt) aufweisen. Die Studie der ETH-Forscher wurde kürzlich in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.
Pupillendynamik hängt nicht nur mit den verschiedenen Schlafphasen zusammen
Die Regionen des Gehirns, die den Aktivierungszustand steuern, liegen tief im Hirnstamm. Deshalb war es bisher schwierig, diese Prozesse beim Menschen im Schlaf direkt zu messen. Die bestehenden Methoden sind technisch anspruchsvoll und in diesem Zusammenhang noch nicht etabliert. Die Studie der ETH-Forschenden stützt sich deshalb auf Pupillenmessungen. Die Pupillen zeigen bekanntlich den Aktivierungszustand an, wenn eine Person wach ist. Sie können daher als Marker für die Aktivität in tiefer gelegenen Hirnregionen verwendet werden.
Um die Veränderungen der Pupillen beim Menschen im Schlaf zu untersuchen, entwickelten die ETH-Forschenden eine neue Methode: Mit einer speziellen Klebetechnik und einem durchsichtigen Pflaster konnten sie die Augen der Probanden über mehrere Stunden offen halten. „Unsere Hauptsorge war, dass die Probanden mit offenen Augen nicht schlafen können. Aber in einem dunklen Raum vergessen die meisten Menschen, dass ihre Augen noch offen sind, und können schlafen“, erklärt der Hauptautor der Studie, Manuel Carro Domínguez, der die Technik entwickelt hat.
Die Analyse der Daten zeigte, dass die Pupillendynamik nicht nur mit den verschiedenen Schlafphasen zusammenhängt, sondern auch mit spezifischen Mustern der Gehirnaktivität, wie z. B. Schlafspindeln und ausgeprägten Tiefschlafwellen – Gehirnwellen, die für die Gedächtniskonsolidierung und die Schlafstabilität wichtig sind. Die Forscher entdeckten auch, dass das Gehirn auf Geräusche mit unterschiedlicher Intensität reagiert, je nach Aktivierungsgrad, der sich in der Größe der Pupille widerspiegelt.
Ein zentraler Regulator des Aktivierungsniveaus ist eine kleine Region im Hirnstamm, der sogenannte Locus coeruleus. Bei Tieren konnten Wissenschaftler zeigen, dass dieser für die Regulation von Schlafstadien und Wachsein wichtig ist. Ob der Locus coeruleus tatsächlich direkt für die Pupillenveränderungen verantwortlich ist, konnten die ETH-Forscher in dieser Studie nicht nachweisen. Die Experten beobachten lediglich Pupillenveränderungen, die mit dem Grad der Gehirnaktivierung und der Herzaktivität zusammenhängen.
In einer Folgestudie wollen die Forscher versuchen, die Aktivität des Locus coeruleus medikamentös zu beeinflussen, um zu untersuchen, wie sich dies auf die Pupillendynamik auswirkt. Sie erhoffen sich Erkenntnisse darüber, ob diese Hirnregion tatsächlich für die Steuerung der Pupillen während des Schlafs verantwortlich ist und wie sich Veränderungen des Aktivierungsniveaus auf den Schlaf und seine Funktionen auswirken.
Pupillendynamik zur Diagnose von Krankheiten nutzen
Das Verständnis der Pupillendynamik im Schlaf könnte auch wichtige Erkenntnisse für die Diagnose und Behandlung von Schlafstörungen und anderen Krankheiten liefern. Die Forscher wollen daher untersuchen, ob Veränderungen der Pupille im Schlaf Hinweise auf Funktionsstörungen des Erregungssystems geben können. Dazu gehören Störungen wie Schlaflosigkeit, posttraumatische Belastungsstörung und möglicherweise Alzheimer.
Ein weiteres Ziel ist es, die Technologie auch außerhalb von Schlaflabors nutzbar zu machen, etwa in Krankenhäusern, wo sie helfen könnte, das Wachsein von Komapatienten zu überwachen oder Schlafstörungen genauer zu diagnostizieren. Die Pupille als Fenster zum Gehirn könnte somit den Weg für neue Möglichkeiten in der Schlafmedizin und den Neurowissenschaften ebnen.