Beinahe jeder Vorgang in unserem Körper wie etwa Schlaf, Hormonfreisetzung und Stoffwechsel wird von unseren inneren Uhren geregelt. Jede Körperzelle verfügt über eine eigene biologische Uhr, deren Synchronisation über Hormone, Temperatur und andere körperliche Signale erfolgt, während die gesamte Uhrwerk-Symphonie von einem einzigen Leiter koordiniert wird, einer Hauptuhr im Gehirn, die auch als Suprachiasmatischer Nucleus (SCN) bezeichnet wird.
Eine neuere Studie, veröffentlicht in Science Translational Medicine, fand heraus, dass auch die Wundheilung von den inneren Uhren beeinflusst wird. Die Forscher stellten fest, dass Verletzungen wie Schnitte oder Verbrennungen um ca. 60 Prozent schneller heilen, wenn man sich die Verletzung während des Tages und nicht nachts zuzieht. Dies ist die erste Studie, die zeigt, wie die inneren Körperuhren die Wundheilung durch die Hautzellen regulieren und die Heilung während des Tages optimieren.
Wunden heilen während des Tages doppelt so schnell wie nachts
Wissenschaftler des Medical Resarch Center Laboratory of Molecular Biology in Cambridge führten Untersuchungen an Hautzellen von Mäusen durch, die ergaben, dass Wunden, die während der Tageszeit entstanden waren, doppelt so schnell verheilten wie jene in der Nacht. Die Wissenschaftler stellen fest, dass sich dieser Effekt auch bei Menschen mit Verbrennungen zeigte. Dabei analysierten sie die Daten von 118 Patienten mit Brandverletzungen, wobei die Daten aus der International Burn Injury Database herangezogen wurden, die Brandverletzungen sammelt sowie die Uhrzeit angibt, zu der diese erfolgt sind. Das Ergebnis war verblüffend:
Verbrennungen, die nachts stattfanden, brauchten durchschnittlich 60% länger, um zu heilen, als jene, die tagsüber auftraten. Die nächtlichen Verbrennungen (20 bis 8 Uhr) waren durchschnittlich nach 28 Tagen zu 95% geheilt, im Vergleich dazu, heilten Verbrennungen, die sich die Patienten während des Tages zugezogen hatten, bereits nach nur 17 Tagen (8 Uhr bis 20 Uhr).
Heilungsprozesse von circadianen Uhren gesteuert
Wichtig für die Wundheilung sind Fibroblasten (sogenannte Bindegewebszellen). Kommt es zu Verletzungen der Haut, sammeln sich diese Zellen in der Wunde, die eine entscheidende Rolle beim Aufbau von Granulationsgewebe haben, indem sie eine Vorstufe von Kollagen produzieren, das schließlich zu festen Kollagenfasern ausreift. Diese Bindegewebszellen weisen eine circadiane Zeitmessung auf, die ihrer biologischen Funktion einen ungefähr 24-Stunden Rhythmus verleiht.
Den Grund für die schnellere Heilung am Tag sahen die Forscher darin, dass sich die Hautzellen viel schneller bewegten, um die Wundstelle zu reparieren, wenn die Uhr für das Tageslicht eingestellt wurde. Innerhalb einzelner Zellen wurde diese Geschwindigkeit durch die erhöhte Aktivität von Proteinen, die an der Bewegung und Reparatur von Zellen beteiligt sind, angetrieben, insbesondere dem Protein Aktin. Die zelluläre Uhr moduliert die Effizienz von Aktin-abhängigen Prozessen wie Zellmigration und Adhäsion, die letztendlich die Wirksamkeit der Wundheilung beeinflussen. Bei Tageswunden war außerdem mehr Kollagen vorhanden, das wichtigste Strukturprotein in der Haut – auf der Wundstelle, das bis zu zwei Wochen, nachdem die Wunde aufgetreten war, bestand. Die Forscher glauben, dass dieser Heilungsprozess von den inneren circadianen Uhren der einzelnen Zellen gesteuert wird, und nicht von Signalen, die im ganzen Körper übertragen werden.
Dr. John O’Neill, leitender Autor der Studie merkt an: „Dies ist das erste Mal, dass die circadiane Uhr in einzelnen Hautzellen gezeigt hat, wie effektiv sie auf Verletzungen reagieren. Wir sehen einen konsistenten etwa doppelten Unterschied in der Wundheilungsgeschwindigkeit zwischen der Körperuhr während des Tages, und während der Nacht. Es kann sein, dass sich unser Körper entwickelt hat, um am schnellsten während des Tages zu heilen, wenn Verletzungen wahrscheinlicher auftreten.“
Forschungsergebnisse entscheidend für das richtige Timing von Therapien
Laut den Wissenschaftlern könnten medizinische Verfahren wie Operationen sowie die Entwicklung von Medikamenten, die die Wundheilung verbessern, von dieser neuen Forschung profitieren. Einer der Studienautoren, Dr. Ned Hoyle merkt an: „Wir haben gezeigt, dass die täglichen Zyklen in unserer Körperuhr kontrollieren, wie gut Zellen beschädigtes Gewebe reparieren können, indem sie ein essentielles Protein namens Aktin beeinflussen. Die effektive Reparatur unserer Haut ist entscheidend, um Infektionen vorzubeugen. Wenn die Heilung schief geht, können Wunden chronisch werden oder es kann zu übermäßiger Vernarbung kommen. Hoyle spekulierte darüber hinaus, dass die Zelluhren an der Operationsstelle auf die beste Zeit für die Heilung vor der Operation eingestellt werden könnten, bzw. die Operationszeit so geplant werden könnte, dass sie mit der biologischen Zeit jedes Patienten zusammenfällt, also, dass „Lerchen“, oder Frühaufsteher, morgens operiert, „Eulen“ oder Spätaufsteher am Nachmittag behandelt werden könnten.
Der korrekte Zeitpunkt bei Herzoperationen
Eine andere Studie, die im Lancet veröffentlicht wurde, legt ebenfalls nahe, dass das richtige Timing für die Gesundheitsversorgung von wesentlicher Bedeutung sein kann.
Nach einer Operation am offenen Herzen treten bei einigen Patienten kardiale Ereignisse auf, die sich negativ auf die Ergebnisse auswirken, und ihr Sterberisiko erhöhen. Die Lancet-Studie untersuchte, ob dieses schlechte Ergebnis von der Tageszeit beeinflusst werden könnte, an der eine Operation stattfindet. Dafür analysieren sie die medizinischen Aufzeichnungen von 596 Menschen, die sich zwischen Januar 2009 und Dez 2015 einer Herzklappenoperation unterzogen. Die Hälfte der Patienten hatte die OP morgens, die andere Hälfte nachmittags.
Das Ergebnis: Bei jenen, die am Nachmittag operiert wurden, war das Risiko für ein größeres kardiales Ereignis innerhalb von 5200 Tagen nach der OP um die Hälfte reduziert, im Vergleich zu den Patienten, die die OP morgens hatten. In Untersuchungen an Mäusen konnten die Forscher zudem feststellen, dass die Fähigkeit des Herzens, sich zu reparieren, morgens schlechter war als am Nachmittag, was daran liegt, dass Gene nachmittags aktiver sind als morgens. Basierend auf diesen Forschungen könnten Medikamente entwickelt werden, um diese Gene zu modulieren und auf diese Weise das Herz während der Operation zu schützen.
Ausblick
Die Wissenschaftler weisen darauf hin, dass intensivere Untersuchungen nötig seien, um die Auswirkungen beim Menschen zu verstehen, insbesondere, ob Änderungen der aktuellen chirurgischen Praxis von Vorteil wären. Die Forschungen rund um Nathaniel Hoyle vom Resarch Center Laboratory of Molecular Biology konnten jedoch verdeutlichen, welche Bedeutung unsere inneren Uhren für den Heilungsprozess von Verletzungen haben.
„Diese Studie zeigt zum ersten Mal, wie circadiane Faktoren für die Wundheilung wichtig sind. Unter Berücksichtigung dieser Faktoren können nicht nur neue Wirkstoffziele identifiziert, sondern auch die Wirksamkeit etablierter Therapien durch die Änderung der Tageszeit erhöht werden.“