Von Fettleibigkeit spricht man bei einem Body-Mass-Index (BMI) von 30 oder mehr. Übergewicht oder Fettleibigkeit erhöhen das Risiko für gesundheitliche Probleme wie Bluthochdruck und Typ-2-Diabetes. Auch Zeitpläne sowie individuelle Schlaf-, Ess- und Sportrhythmen können sich auf die Gesundheit auswirken, indem sie den natürlichen Tagesrhythmus des Körpers entweder ergänzen oder ihm widersprechen. Laut Forschungen könnte der Tageszeitpunkt, zu dem Energie verbrannt wird, entscheidend dafür sein, warum manche Menschen mit Übergewicht kämpfen.
Schlanke verbrauchen mehr Energie während des Tages
Tatsächlich ergab eine aktuelle Studie der Oregon Health & Science University, die in der Fachzeitschrift Obesity veröffentlicht wurde, dass Menschen mit einem gesunden Gewicht tagsüber mehr Energie verbrauchen, wenn die meisten Menschen aktiv sind und essen, während Menschen mit Fettleibigkeit nachts, wenn die meisten Menschen schlafen, mehr Energie verbrennen. Forscher fanden außerdem heraus, dass Personen mit Fettleibigkeit tagsüber einen höheren Spiegel des Hormons Insulin haben – ein Zeichen dafür, dass der Körper härter arbeitet, um Glukose, einen energiereichen Zucker, zu verwerten. Für die Forscher war es überraschend, zu erfahren, wie stark sich der Zeitpunkt, zu dem der Körper Energie verbrennt, bei Menschen mit Fettleibigkeit unterscheidet, jedoch ist nicht klar, was die Ursache dafür ist. Eine geringere Energieverbrennung während des Tages könnte zu Fettleibigkeit führen oder die Folge von Fettleibigkeit sein.
Alle 24 Stunden erleben Menschen zahlreiche Veränderungen, die durch die innere Uhr des menschlichen Körpers ausgelöst werden. Diese Veränderungen treten normalerweise zu bestimmten Tageszeiten auf, um den Bedürfnissen des Körpers zu jeder bestimmten Stunde bestmöglich gerecht zu werden. Die Experten konzentrierten ihre Forschungen darauf, wie sich ciradiane Rhythmen und Schlaf auf den menschlichen Körper auswirken. Während frühere Untersuchungen darauf hindeuteten, dass eine Fehlausrichtung des circadianen Rhythmus den Energiestoffwechsel und die Glukoseregulierung beeinflusst, waren an diesen Studien größtenteils Teilnehmer beteiligt, die ein gesundes Gewicht hatten. Um dies weiter zu untersuchen, organisierten die Forscher eine Studie, an der Menschen unterschiedlicher Körpergröße teilnahmen. Insgesamt 30 Personen meldeten sich freiwillig zur Teilnahme an der Studie, bei der die Testpersonen sechs Tage lang in einem speziell eingerichteten circadianen Forschungslabor blieben. Die Studie folgte einem strengen circadianen Forschungsprotokoll, das einen Zeitplan beinhaltete, der darauf ausgelegt war, dass die Teilnehmer jeden Tag zu unterschiedlichen Zeiten wach waren und schliefen.
Nach jeder Schlafphase wurden die Freiwilligen zum Essen geweckt, und nahmen für die verbleibende Zeit jedes Tages an verschiedenen Tests teil. Bei einem Test trainierten sie mit einer Maske, die an ein Gerät namens indirektes Kalorimeter angeschlossen war, das ausgeatmetes Kohlendioxid misst und dabei hilft, den Energieverbrauch abzuschätzen. Es wurden auch Blutproben entnommen, um den Glukosespiegel als Reaktion auf eine identische Mahlzeit an jedem Tag zu messen. Als Nächstes plant das Forschungsteam, Essgewohnheiten und Hunger bei Menschen mit Fettleibigkeit sowie bei Menschen mit einem gesunden Gewicht zu untersuchen. Diese neue Studie knüpft auch an eine Studie aus dem Jahr 2013 an, in der festgestellt wurde, dass circadiane Uhren auf natürliche Weise das Verlangen nach Essen in der Nacht verstärken.
Wie sich Fettleibigkeit auf das Gehirn auswirkt
Fettleibigkeit führt zu einem veränderten Energiestoffwechsel und einer verringerten Insulinsensitivität der Zellen. Die sogenannten „Anti-Adipositas-Medikamente“ werden zunehmend zur Behandlung von Fettleibigkeit eingesetzt und erregen vor allem in den USA großes Interesse. Forscher am Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung in Köln haben nun bei Menschen mit Adipositas gezeigt, dass eine verminderte Insulinsensitivität das Lernen sensorischer Assoziationen beeinträchtigt. Um unser Verhalten steuern zu können, muss das Gehirn in der Lage sein, Assoziationen zu bilden. Dabei geht es beispielsweise darum, einen neutralen äußeren Reiz mit einer auf den Reiz folgenden Konsequenz zu verknüpfen (z. B. die Herdplatte leuchtet rot – man kann sich die Hand verbrennen). Auf diese Weise lernt das Gehirn, welche Auswirkungen unser Umgang mit dem ersten Reiz hat.
Assoziatives Lernen ist die Grundlage für die Bildung neuronaler Verbindungen und verleiht Reizen ihre Motivationskraft. Es wird im Wesentlichen von einer Gehirnregion gesteuert, die als dopaminerges Mittelhirn bezeichnet wird. Diese Region verfügt über viele Rezeptoren für körpereigene Signalmoleküle, wie zum Beispiel Insulin, und kann so unser Verhalten an die physiologischen Bedürfnisse unseres Körpers anpassen. Aber was passiert, wenn die Insulinsensitivität des Körpers aufgrund von Fettleibigkeit verringert ist? Verändert dies unsere Gehirnaktivität, unsere Fähigkeit, Assoziationen zu lernen und damit unser Verhalten?
Anti-Adipositas-Medikament kann die Lernfähigkeit verbessern
Forscher des Max-Planck-Instituts für Stoffwechselforschung haben gemessen, wie gut das Lernen von Assoziationen bei Teilnehmern mit normalem Körpergewicht (hohe Insulinsensitivität, 30 Freiwillige) und bei Teilnehmern mit Adipositas (reduzierte Insulinsensitivität, 24 Freiwillige) funktioniert, und ob dieser Lernprozess durch das Anti-Adipositas-Medikament Liraglutid beeinflusst wird.
Eine niedrige Insulinsensitivität verringert die Fähigkeit des Gehirns, sensorische Reize zu assoziieren. Abends injizierten die Forscher den Teilnehmern entweder das Medikament Liraglutid oder abends ein Placebo. Liraglutid ist ein sogenannter GLP-1-Agonist, der den GLP-1-Rezeptor im Körper aktiviert, die Insulinproduktion anregt und ein Sättigungsgefühl hervorruft. Es wird häufig zur Behandlung von Fettleibigkeit und Typ-2-Diabetes eingesetzt und einmal täglich verabreicht. Am nächsten Morgen erhielten die Probanden eine Lernaufgabe, mit der die Forscher messen konnten, wie gut assoziatives Lernen funktionierte. Sie fanden heraus, dass die Fähigkeit, sensorische Reize zu assoziieren, bei übergewichtigen Teilnehmern weniger ausgeprägt war als bei normalgewichtigen, und dass die Gehirnaktivität in jenen Bereichen, die dieses Lernverhalten kodieren, verringert war. Nach nur einer Dosis Liraglutid zeigten Teilnehmer mit Adipositas diese Beeinträchtigungen nicht mehr, und es wurde kein Unterschied in der Gehirnaktivität zwischen Teilnehmern mit Normalgewicht und Adipositas festgestellt. Das Medikament brachte die Gehirnaktivität auf den Zustand normalgewichtiger Probanden zurück.
Diese Erkenntnisse sind von grundlegender Bedeutung, da sie zeigen, dass grundlegende Verhaltensweisen wie assoziatives Lernen nicht nur von äußeren Umweltbedingungen, sondern auch von der Stoffwechsellage des Körpers abhängen. Während es ermutigend ist, dass verfügbare Medikamente eine positive Wirkung auf die Gehirnaktivität bei Adipositas haben, ist es alarmierend, dass es auch bei jungen Menschen mit Adipositas ohne andere Erkrankungen zu Veränderungen der Gehirnleistung kommt. Die Prävention von Adipositas sollte daher laut den Forschern im Fokos stehen.