Eine genetische Störung führt zu einem Anstieg der bioaktiven Lipide im Gehirn, was zu einem Ungleichgewicht zwischen Erregung und Hemmung in den neuronalen Schaltkreisen beiträgt, und psychische Störungen begünstigt. Eine Behandlung mit einem Enzyminhibitor, der die Aktivierung dieser Lipide verhindert, kann jedoch das Gleichgewicht wiederherstellen und die Symptome lindern. Dies ist das Ergebnis einer aktuellen Studie über den Zusammenhang zwischen synaptischen Lipidsignalen im Gehirn und psychischen Störungen. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Zeitschrift Molecular Psychiatry veröffentlicht, und könnten neue Möglichkeiten für die Behandlung psychischer Erkrankungen eröffnen.
Ungleichgewicht zwischen Erregung und Hemmung im Gehirn fördert mentale Beeinträchtigungen
Die Teams um Dr. Johannes Vogt vom Institut für Molekulare und Translationale Neurowissenschaften der Universität zu Köln, Dr. Robert Nitsch vom Institut für Translationale Neurowissenschaften der Universität Münster und Partnern an anderen Universitäten untersuchten die Rolle des Enzyms Autotaxin und seines Gegenspielers, des Proteins PRG-1, bei der Regulierung des Gleichgewichts zwischen Erregung und Hemmung im Gehirn von Menschen und Mäusen. Die Forschung wurde im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 1451 „Schlüsselmechanismen der motorischen Kontrolle in Gesundheit und Krankheit“ durchgeführt.
Das Projekt unter der Leitung von Vogt und Nitsch innerhalb des SFB beschäftigt sich mit dem Gleichgewicht zwischen Erregung und Hemmung im Gehirn und dessen Auswirkung auf die Motorik. Dieses Gleichgewicht spielt bei psychischen Störungen eine wichtige Rolle. Bei Erregung bewirken neuronale Schaltkreise, dass Informationen weitergegeben und andere Neuronen aktiviert werden, bei Hemmung wird diese Informationsweitergabe unterbrochen.
Die Projektgruppen in Köln und Münster hatten bereits in früheren Studien gezeigt, dass körpereigene Lipide im Gehirn durch das Enzym Autotaxin aktiviert werden und die Nervenzellaktivität an der zentralen Schaltstelle der Signalübertragung, der kortikalen Synapse, stimulieren. Dadurch verändern sie die Informationsverarbeitung in den Netzwerken des Gehirns.
Neue Perspektiven für die Diagnose und Behandlung psychischer Störungen
In der aktuellen Studie analysierten die Forscher die funktionellen Folgen der veränderten Signalbalance bei 25 Personen, die durch den Antagonisten von Autotaxin ausgelöst wurde, der die aktivierten Lipide an der Synapse reduziert. Mithilfe verschiedener Methoden zur Messung von Hirnströmen und Hirnaktivität sowie psychologischen Tests fanden sie spezifische Veränderungen, die auch bei Patienten auftreten, sogenannte intermediäre Phänotypen psychischer Störungen. Das bedeutet zum Beispiel, dass vergleichbare Muster der Hirnaktivierung sowohl bei Patienten als auch bei ihren klinisch gesunden Verwandten zu finden sind.
Weitere Untersuchungen im Mausmodell ergaben, dass Tiere mit einer ähnlichen genetischen Störung vergleichbare Symptome zeigen: erhöhte Angst, einen depressiven Phänotyp und eine geringere Stressresilienz. Die Synchronisation und der Informationstransfer zwischen den Hirnarealen war bei Menschen und Mäusen in ähnlicher Weise gestört. Die Studie deutet darauf hin, dass die Regulierung von Erregung und Hemmung durch synaptische Lipidsignale eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung psychischer Störungen spielt.
Autotaxin ist das Schlüsselenzym der Lipidaktivierung in den Gehirnen von Mäusen und Menschen. Der erhöhte Erregungszustand der Netzwerke, der durch die genetische Störung verursacht wird, könnte durch die Verabreichung spezifischer Autotaxin-Hemmer wiederhergestellt werden. Nach Ansicht der Forscher eröffnen diese Erkenntnisse neue Perspektiven für die Diagnose und Behandlung solcher Störungen. Eine gezielte Modulation der synaptischen Lipidsignale durch Autotaxin-Inhibitoren, die das Gehirn erreichen können, könnte laut den Forschern Möglichkeiten zur Behandlung psychischer Störungen eröffnen. In zukünftigen Studien wollen die Forscher diese Ansätze weiter untersuchen und ihre Wirksamkeit und Sicherheit in klinischen Studien testen.