Eine groß angelegte Studie aus Großbritannien legt nahe, dass es eine direkte Verbindung zwischen Störungen des Schlafrhythmus und Stimmungsschwankungen geben könnte. Die Studie wurde in The Lancet Psychiatry veröffentlicht und legt nahe, dass Störungen des natürlichen Schlafrhythmus womöglich zu kognitiven Problemen führen, und das Risiko erhöhen können, mentale Probleme zu entwickeln.
Schlafrhythmen und ihr Einfluss auf unsere Gesundheit
Alle Lebenswesen, die mit Sonnenlicht in Kontakt kommen, haben eine Art innere Uhr, die wir meist als Schlaf- oder Wachrhythmus bezeichnen. Diese innere Uhr hat einiges an Kontrolle über fast alle biologischen Prozesse, die im menschlichen Körper ablaufen und funktioniert üblicherweise in einem 24-Stunden-Zyklus. Es ist also wenig verwunderlich, dass dieser Rhythmus eine besondere Rolle im Hinblick auf unser Wohlbefinden und für den reibungslosen Ablauf unserer Körperfunktionen wie etwa Zellregeneration, Hormonproduktion, Verdauung, Immunität und Stressreaktion spielt.
Die „Hauptuhr“ unseres Körpers liegt in unserem Gehirn, genauer gesagt, in einer Region des Hypothalamus, der als Suprachiasmatischer Kern bezeichnet wird. Dieser reagiert auf Lichteinfall und synchronisiert dadurch all die Nebenuhren, die im gesamten Körper verteilt sind. Beinahe alle Zellen im menschlichen Körper verfügen über eine einzigartige Ansammlung von Proteinen, die je nach Tageszeit aktiviert und deaktiviert wird – und Einflüsse wie Schichtarbeit, wenig Zeit an der frischen Luft, oder auch das Reisen in andere Zeitzonen, können dieses äußerst sensible Uhrwerk ordentlich aus der Bahn werfen – und dadurch zu unangenehmen Folgeerscheinungen führen.
Eine ganze Palette an Studien hat gezeigt, dass bereits kleine Störungen unserer natürlichen Rhythmen negative Konsequenzen für die Gesundheit haben können. Es ist bekannt, dass sich Schlafentzug negativ auf die Denkfähigkeit auswirkt und zu Gereiztheit führen kann, aber auch schon Unterbrechungen des Schlafs können schwere Folgen haben, darunter ein erhöhtes Risiko für Herzleiden, Übergewicht und Diabetes Typ 2. Die neuste Studie bestätigt diese Vermutungen und legt offen, dass unregelmäßige Schlaf- und Wachrhythmen eine enge Verbindung zu mentalen Leiden wie Depressionen, Angstzuständen und allgemeinem Unwohlsein haben können.
Megastudie zeigt: Deutlicher Zusammenhang zwischen Gefühlslage und unregelmäßigem Schlaf
Schon frühere Studien haben einen Zusammenhang zwischen unregelmäßigen Schlafrhythmen und psychischen Problemen vermuten lassen, doch aufgrund der kleinen Probandenzahl, ungeprüfter Aussagen der Teilnehmer, und der fehlenden Rücksichtnahme auf externe Faktoren, waren die Ergebnisse dieser Studien bisher wenig aussagekräftig. Um methodisch einwandfrei vorzugehen, haben Forscher der Universität von Glasgow Daten von mehr als 91.000 Personen ausgewertet, was dieses Projekt zur größten Studie einer eventuellen Verbindung zwischen Schlafrhythmen und psychischer Gesundheit aller Zeiten macht.
Das Forscherteam analysierte Daten von 91.105 Personen in der UK Biobank, einem laufenden Forschungsprojekt, das die Gesundheit von mehr als einer halben Million britischer Staatsbürger untersucht, um deren Ruhe- und Aktivitätsphasen zu messen. Die ausgewählten Probanden im Alter von 37 bis 73 Jahren trugen im Zeitraum von 2013 bis 2015 für jeweils sieben Tage einen Beschleunigungssensor, um ihre Aktivität aufzuzeichnen. Diese Daten wurden dann mit Fragebögen verglichen, in denen die Teilnehmer Informationen zu psychischen Symptomen, allgemeinem Wohlbefinden sowie kognitiver Leistungsfähigkeit angaben.
Mithilfe von mathematischen Modellen gelang es den Wissenschaftlern, eine Verbindung zwischen einer geringen relativen Amplitude (definiert als starke Aktivität während Ruhephasen oder schwacher Aktivität im Tagesverlauf) kognitiven Funktionen, Wohlbefinden und dem Risiko, Stimmungsschwankungen zu entwickeln, nachzuweisen.
Ihre Forschungen ergaben, dass Störungen des Schlafrhythmus deutliche Zusammenhänge mit folgenden Beschwerden zeigen:
- Erhöhtes Risiko einer schweren Depression
- Erhöhtes Risiko einer bipolaren Störung
- Stimmungsschwankungen
- Höhere Werte im Bereich Neurotizismus
- Gefühl von Einsamkeit
- Verringerte Lebensfreude
- Unzufriedenheit mit dem Gesundheitszustand
- Verlangsamte Reaktionszeiten (ein indirekter Indikator für die kognitive Funktion)
Das Team konnte durch die gewählte Methodik auch den Einfluss von äußeren Umständen wie demographische Zugehörigkeit, Ausbildungsstand oder Lebensstil ausschließen.
In einer Pressemitteilung erklärte die Studienautorin Dr. Laura Lyall: „Die Ergebnisse unserer Forschungen legen nahe, dass es einen Zusammenhang zwischen unregelmäßigen Schlafrhythmen und Stimmungsproblemen bzw. Wohlbefinden gibt. Allerdings sind dies nur beobachtete Faktoren, und wir können nicht zweifelsfrei sagen, ob Stimmungsschwankungen und reduziertes Wohlbefinden der Grund für unregelmäßige Rhythmen sind, oder ob unregelmäßige Rhythmen für Stimmungsschwankungen und einem schlechteren Gemütszustand verantwortlich sind.“
Sie ergänzte, dass es für zukünftige Studien äußerst nützlich wäre, den Schlafrhythmus der Probanden über einen längeren Zeitraum zu beobachten, um festzustellen, ob unregelmäßige Rhythmen ein verlässlicher Indikator für die Entwicklung von Stimmungsschwankungen sein können.
Das Forscherteam räumte natürlich ein, dass selbst eine Studie dieser Größenordnung gewisse Grenzen in Sachen Aussagekraft hat, besonders da sich psychische Probleme meist schon in jüngerem Alter manifestieren, Jugendliche jedoch nicht Teil der Studie waren. Die Autoren meinten weiter, dass die „relative Amplitude ein einfach messbarer Wert sei, der dabei helfen könne, Personen zu identifizieren, die einem erhöhten Risiko für schwere Depressionen oder bipolaren Persönlichkeitsstörungen ausgesetzt sind – und dementsprechend von Therapien profitieren könnten, die ihren Fokus auf der Arbeit an der inneren Uhr haben. Die Tatsache, dass psychische Probleme meist im jugendlichen Alter auftreten, legt nahe, dass es sinnvoll wäre, Langzeitstudien mit Teenagern durchzuführen, um die dahinterliegenden Mechanismen besser zu begreifen, und neue Wege für die Früherkennung und Behandlung zu finden.“
Dennoch bleibt es schwierig, genau zu bestimmen, ob Störungen der inneren Uhr zu gesundheitlichen Problemen führen, oder ob es genau anders herum ist.
„Unsere Ergebnisse sagen nichts über die Kausalität aus, aber sie zeigen deutlich, dass Stimmungsschwankungen in Zusammenhang mit gestörten Schlafrhythmen stehen, und wir haben festgestellt, dass veränderte Wach- und Ruhephasen mit einem niedrigeren Wohlbefinden und einer verringerten kognitiven Leistungsfähigkeit korrelieren“, so Dr. Lyall.