Die meisten Menschen werden irgendwann in ihrem Leben operiert – und wenn es sich nur um einen kleinen Eingriff handelt. Tatsächlich müssen viele im Laufe ihres Lebens mehrere größere oder kleinere Eingriffe über sich ergehen lassen. Auch wenn die große Mehrheit der operativen Verfahren mit einer vollständigen Genesung enden, gibt es doch hin und wieder schlechte Ausgänge. Laut einer neuen Studie hat der Zeitpunkt von Operationen einen messbaren Einfluss darauf, wie gut sich die Patienten davon erholen und ob die Ergebnisse so sind, wie sie es sich vorstellen.
Wie häufig gibt es Komplikationen bei einer OP?
Auch wenn die meisten Patienten, die sich jedes Jahr einer Operation unterziehen müssen, wieder vollständig genesen und das gewünschte Ergebnis erzielen, sind viele medizinische Eingriffe mit Komplikationen verbunden. Diese treten bei etwa 2-4% aller Operationen auf und umfassen Gerinnsel, exzessive Blutungen, Infektionen oder ärztliches Versagen.
Bei US-Chirurgen etwa sind Komplikations- und Misserfolgsquoten dank einer Vielzahl von Webseiten öffentlich, was für die Chirurgen als Motivation dient, diese Statistiken noch weiter nach unten zu schrauben. Aufgrund vieler neuer Strategien konnte die Komplikationsrate so weit gesenkt werden, dass manche Ärzte sogar eine 0%-Quote erreichen. Trotzdem können immer wieder Infektionen und andere Schwierigkeiten auftreten. Was, wenn wir diese Komplikationen einfach durch die Uhrzeit, zu der die Operation durchgeführt wird, reduzieren könnten?
Spielt die Uhrzeit der OP eine Rolle?
Operationen werden häufig für den frühen Morgen angesetzt und dauern oft beinahe den ganzen Tag. Die meisten Chirurgen operieren mehrmals an einem typischen Arbeitstag, führen sogar mehrere größere Eingriffe durch. Daher könnte die Vermutung nahe liegen, dass jene Operationen, die später am Tag stattfinden, schlechtere Ergebnisse bringen. Schließlich ist es nachvollziehbar, dass ein Arzt ab den frühen Nachmittagsstunden müder ist. Neue Forschungen zu der Frage, ob die Uhrzeit die OP-Ergebnisse beeinflusst, zeigen jedoch, dass genau das Gegenteil zutrifft.
Wissenschaftler führten eine randomisierte kontrollierte Studie durch, um herauszufinden, ob und wie die Uhrzeit der Operation mit den Ergebnissen in Zusammenhang steht. Die Hälfte der Patienten wurden am Morgen am offenen Herzen operiert, die andere Hälfte am Nachmittag. Die Ergebnisse waren überraschend: Jene Patienten, die nach der Mittagspause an der Reihe waren, erlebten nur halb so oft bestimmte Komplikationen, darunter ernste wie Herzinfarkte, Herzversagen und Tod.
Wie kann die Uhrzeit die Operation so sehr beeinflussen? Menschen, die am offenen Herzen operiert werden, müssen sich oft einem Eingriff unterziehen, da sie durch einen eingeschränkten Blutfluss zum Herzen Blockaden oder andere Schäden aufweisen. Das bedeutet, dass sie anfällig für Ischämie-Reperfusionsschäden sind, die aufteten, wenn der ausreichend starke Blutfluss zum Herzen hin wiederhergestellt wurde. Aus irgendeinem Grund passiert dies weniger häufig am Nachmittag. Ärzte und Wissenschaftler sind sich nicht sicher, warum diese Art von Verletzung von der Tageszeit abzuhängen scheint. Patienten, bei denen diese Operation nötig ist, können jedoch davon profitieren, wenn sie erst nachmittags durchgeführt wird.
Das Zusammenspiel des circadianen Rhythmus und der Medizin
Hierbei handelt es sich nicht um die erste Korrelation, die zwischen dem Zeitpunkt der Behandlung und den Ergebnissen gefunden wurde. Frühere Studien ergaben, dass Impfungen effektiver sind, wenn sie am Morgen verabreicht werden. Zudem scheinen Krebsmedikamente am effektivsten zu sein, wenn sie zu jenen Tageszeiten verabreicht werden, zu denen Krebszellen metabolisch am aktivsten sind.
Selbst einfachere Präparate wie solche gegen Blutdruckprobleme und Diabetes scheinen besser zu wirken, wenn sie zur richtigen Tageszeit eingenommen werden. Menschen könnten weniger von diesen Medikamenten benötigen und die selben oder sogar bessere Ergebnisse erzielen bei weniger Nebenwirkungen, und das nur aufgrund eines anderen Einnahmezeitpunktes.
Chronotherapie: Die Zukunft der Medizin
Derzeit gibt es nur wenige Arzneien und Behandlungen, die routinemäßig zu jenen Zeiten eingesetzt werden, zu denen sie am effektivsten sind, weniger Nebenwirkungen haben oder einen anderweitigen Nutzen bringen. Diese Vorgehensweise, auch als Chronotherapie bekannt, könnte jedoch die Zukunft der Medizin sein.
Unser Körper besitzt ein komplexes System an inneren Uhren. Es gibt nicht nur einen Haupttaktgeber im Gehirn, der die inneren Uhren unseres Körpers mit Reizen von außen koordiniert, sondern auch Uhrenmechanismen in jedem Organ und sogar in jeder Zelle. Was die Biologie angeht, ist Timing alles. Dank verschiedenster neuer Entdeckungen im Bereich der Chronobiologie passt sich die moderne Medizin langsam den inneren Uhren an. Patienten können ihre Medikamente zu Uhrzeiten einnehmen, zu denen sie am sichersten verstoffwechselt werden oder weniger Nebenwirkungen haben. Sie können sich dazu entscheiden, bestimmte den Stoffwechsel betreffende Prozesse gezielt anzugehen, die die komplette Behandlung bestimmen. Während die Chronotherapie immer noch als neues Konzept gilt, lässt sich bereits jetzt erkenenn, wie sie eines Tages einen Großteil davon verändern könnte, was wir heute über die Medizin wissen.
Derzeit haben Patienten wenig Einfluss darauf, wann sie operiert werden, besonders was dringende Operationen, wie solche am Herzen angeht. Es könnte jedoch vorteilhaft sein, mit jenen Operationen, die zeitlich flexibler sind, bis nach dem Mittagessen zu warten. Obwohl wir immer noch nicht wissen, warum unsere Organe nach chirurgischen Eingriffen am Nachmittag besser heilen, macht der Zeitpunkt anscheinend doch einen großen Unterschied im Hinblick auf die Ergebnisse.