Auch wenn Millionen von Menschen aufgrund von rheumatoider Arthritis Schmerzen und Steifheit verspüren, hat die moderne Medizin nur wenige Antworten. Ärzte wissen nicht viel darüber, wer die Risikogruppe dieser Erkrankung ist, und wie man sie am besten behandelt. Es gibt zwar bestimmte Medikamente wie Methotrexat und nichtsteroidale Antirheumatika, die die Autoimmunerkrankung durch Immunsuppression therapieren, jedoch kann die Einnahme das Immunsystem schwächen und zu starken Nebenwirkungen führen. Außerdem schlagen diese Medikamente nicht immer an. Neuere Forschungen im Bereich der Chronobiologie zum Thema rheumatoide Arthritis führen womöglich zu neuen Behandlungsmöglichkeiten, und vielleicht sogar zur Heilung dieser schmerzhaften Erkrankung.

Was ist rheumatoide Arthritis?

Rheumatoide Arthritis (oder RA) ist eine verbreitete Autoimmunkrankheit von der circa ein Prozent der Bevölkerung betroffen ist. Dabei kommt es zu einer Entzündung der Gelenke und anderer Gewebe im Körper. Zwar sind Handgelenke, Hände und Finger am häufigsten betroffen, es können jedoch alle Gewebe Opfer eines Autoimmunangriffs werden. Gelenke, Haut und sogar Organe wie Augen oder Lungen können in Mitleidenschaft gezogen werden. Neben Schmerzen und Schwellungen an den Gelenken, fühlen Menschen mit rheumatoider Arthritis oft auch Müdigkeit und Steifheit.

Wie alle Autoimmunerkrankungen, wird auch rheumatoide Arthritis durch einen Angriff des Immunsystems auf Körpergewebe verursacht. RA-Antikörper greifen meist die Gelenkinnenhaut oder die Innenauskleidung an, können aber theoretisch den Körper überall attackieren. Dies verursacht Schwellungen, Hitzewallungen, Schmerzen und Entzündungsmoleküle, die das Gelenkgewebe schädigen. Mit der Zeit können diese Schäden dauerhafte Folgen haben, sodass sich die Gelenke und andere Gewebe nicht mehr normal bewegen. Ein Kennzeichen der rheumatoiden Arthritis ist die Verschlechterung der Symptome am Morgen, und eine Besserung gegen Nachmittag und Abend. Erst neuere Forschungen gaben Aufschluss über den Mechanismus hinter diesen täglichen Abläufen.

Wie wichtig Chronobiologie bei rheumatoider Arthritis ist

Viele frühere Studien zeigen, dass das Immunsystem von einem eigenen circadianen Rhythmus gesteuert wird, und sich auch nach anderen inneren Uhren richtet. Laut neuerer Studien könnten diese inneren Uhren wichtig sein, was sowohl die Entwicklung von rheumatoider Arthritis als auch deren Behandlung anbelangt. Melatonin und Prolactin, die abends als  Vorbereitung auf den Schlaf ausgeschüttet werden, scheinen die Aktivität des Immunsystems zu steigern. Cortisol, das am frühen Morgen vor dem Aufwachen freigesetzt wird, scheint das Immunsystem wiederum zu unterdrücken.

Wie können diese Tatsachen das charakteristische RA-Muster verursachen? Forscher fanden heraus, dass jene Entzündungen, die durch die gesteigerte Immunaktivität am Abend ausgelöst werden, hauptsächlich an morgendlicher Steifheit und den Schmerzen schuld sind, die so bezeichnend für diese Erkrankung sind. Obwohl Cortisol die Autoimmunaktivität reduziert, passiert dies  so langsam, dass Autoimmunschäden und die daraus resultierenden Symptome morgens schlimmer sind.

Kann Schlafmangel zu chronischen Krankheiten beitragen?

Die Chronobiologie ist möglicherweise auch wichtig bei der Entwicklung von RA und anderen Autoimmunkrankheiten wie Hauttuberkulose. Mehrere Studien haben Schlafentzug mit der Entwicklung von Autoimmunerkrankungen sowie dem Fortschreiten der Symptome in Verbindung gebracht. Dies scheint an der Produktion von Entzündungsmolekülen wie Zytokinen zu liegen, die maßgeblich an der Verschlechterung der durch Autoimmunangriffe bedingten Schäden beteiligt sind. Der Zytokinspiegel ist bei Menschen und Tieren mit Schlafmangel – selbst wenn dieser nur temporär ist – nachweislich höher.

Da Schlafstörungen in der heutigen Welt weit verbreitet sind, könnte diese Verbindung erklären, warum Autoimmunkrankheiten immer häufiger werden. Es gibt derzeit viele verschiedene Theorien, warum immer mehr Menschen unter Autoimmunerkrankungen leiden. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass dafür mehrere Faktoren verantwortlich sind, Schlafmangel ist einer davon. Das Verständnis über die potentiellen Ursachen könnte es uns ermöglichen, das Risiko zu senken, eine verheerende Autoimmunkrankheit zu entwickeln.

Chronopharmakologie: zeitliche Koordination medikamentöser Behandlungen

Wie kann die Kenntnis über die inneren Uhren, die hinter einer rheumatoiden Arthritis stecken, bei der Behandlung eingesetzt werden? Es gibt zahlreiche vielversprechende Anwendungsgebiete. Zunächst einmal sollten Glucocorticoide spät abends eingenommen werden, um das frühmorgendliche Cortisol zu ergänzen, und dadurch die Symptome am Morgen zu schwächen. Die Einnahme von Immunsuppressiva wie Methotrexat und nichtsteroidalen Antirheumatika am späten Abend könnte sich ebenfalls als effektiv erweisen, da sie größte Wirkung zeigen, wenn die Symptome am schlimmsten sind.

Nicht zum ersten Mal ist die zeitliche Koordination bei der Einnahme von Medikamenten zur Behandlung von Krankheiten entscheidend. Blutdruckpräparate sind am wirksamsten, wenn sie zu bestimmten Tageszeiten verabreicht werden. Auf ähnliche Weise steuern auch Diabetesmedikamente den Blutzuckerspiegel am effektivsten, wenn der Tageszeitpunkt, an dem sie zugeführt werden, beachtet wird. Die Chronopharmakologie hat sich auch in der Krebstherapie als wichtig erwiesen. Durch die sorgfältige zeitliche Koordinierung der Einnahme von Arzneien und der Anwendung von Behandlungen könnten Patienten weniger Medikamente benötigen, weniger Nebenwirkungen verspüren, und insgesamt bessere Ergebnisse erzielen.

Kann die zeitliche Abstimmung von Therapien und Medikamenten tatsächlich jene Symptome reduzieren, die mit rheumatoider Arthritis in Verbindung stehen? Dazu müssen noch mehr Studien durchgeführt werden. Für die Behandlung von rheumatoider Arthritis und anderen Autoimmunkrankheiten scheint es jedoch in eine vielversprechende Richtung zu gehen. Chronobiologie und Chronopharmakologie könnten vielleicht schon bald Antworten auf einige der ernsthaftesten Erkrankungen der Menschheit finden.