In der medizinischen Gemeinschaft gibt es viele Diskussionen bezüglich des circadianen Rhythmus und seine Auswirkungen auf die Gesundheit. Unser Körper wird jedoch von mehreren verschiedenen inneren Uhren gesteuert. Während die circadiane, bzw. 24-Stunden Uhr, für unsere Zellprozesse äußerst wichtig ist, deuten aktuelle Untersuchungen darauf hin, dass saisonale Rhythmen mindestens genauso wichtig sind.
Wie unser Gehirn Jahreszeiten bemerkt
Unsere circadianen Rhythmen werden von Faktoren festgelegt, die Zeitgeber genannt werden und die sich in Bezug auf Licht, Temperatur und weiteren Faktoren unterscheiden, die die Zeit angeben. Unser Körper spürt diese und reagiert dementsprechend. Wenn kein Licht vorhanden ist, schickt unser suprachiasmatischer Nucleus (SCN) Signale, um Melatonin auszuschütten, das dem Körper unter anderem mitteilt, dass es an der Zeit ist zu schlafen. Ein leichtes Abfallen der Temperatur trägt ähnlich zum Schlafen bei.
Lichtverhältnisse und Temperatur verändern sich im Sommer deutlich. Unser Gehirn nimmt einen längeren, helleren Tag sowie wärmere Temperaturen wahr und deutet diese als Hinweise auf saisonale Rhythmen. Dies bewirkt Veränderungen in unserem Hormonsystem, die uns ermöglichen, uns den Herausforderungen einer jeden Jahreszeit zu stellen.
Melatonin über das Jahr hinweg
Auch wenn Melatonin hauptsächlich mit dem circadianen Rhythmus in Verbindung steht, schwankt es auch im Zusammenhang mit den saisonalen Rhythmen. Da sich die Länge der Nacht mit den Jahreszeiten verändert, verändert sich auch die Melatoninausschüttung. Die kürzere Zeitspanne der Melatoninherstellung verursacht Veränderungen bei den Hormonwerten und sogar Veränderungen des menschlichen Verhaltens. So steigt z.B. die Testosteronproduktion im Sommer, weswegen Männer in diesen Monaten fruchtbarer sind.
Zudem teilt die kürzere Spanne der Melatoninausschüttung dem Körper mit, dass Sommer ist, wodurch das Auftreten anderer saisonaler physiologischer Veränderungen ermöglicht wird. Wissenschaftler erforschen zwar noch immer die Art und Weise, wie eine kürzere Melatonindauer das menschliche Verhalten und die Physiologie beeinflusst, es ist aber bereits jetzt deutlich erkennbar, dass es wesentliche Auswirkungen gibt.
GABA und die vier Jahreszeiten
GABA ist ein wichtiger Neurotransmitter, der die Aktivität im Nervensystem diktiert. Eine vor kurzem veröffentlichte circadiane Biologiestudie aus Japan deutet darauf hin, dass GABA auch eine wichtige Rolle dabei spielt, dem Gehirn und Körper mitzuteilen, dass der Sommer da ist.
Der suprachiasmatic Nucleus ist dafür verantwortlich, den circadianen Rhythmus zu regulieren, vor allem indem er das Uhr-Gen Bmal1 produziert. Ein Bereich des SCN ist jedoch für Einflüsse aus der Umwelt weniger empfänglich. Wenn der Sommer die Nächte verkürzt, fällt dieser Bereich aus dem Rhythmus des restlichen SCN, und es werden verschiedene Werte von Bmal1 ausgedrückt. Dieser Spalt zwischen den beiden Regionen signalisiert dem Gehirn, dass Sommer ist.
GABA hemmt zwar die meisten neuronalen Aktivitäten, es regt aber auch bestimmte Neuronen im SCN an, wenn die Chloridwerte hoch sind. Chloridwerte steigen, wenn der Rhythmusspalt zwischen den zwei Teilen des SCN breiter wird, was im Sommer der Fall ist. Der Anstieg in der Neuronenanregung ist ein weiterer Hinweis an das Gehirn, dass der Sommer eingetroffen ist.
Cortisol: Stress und Wachsamkeit im Sommer
Cortisol ist am besten als Stresshormon bekannt, es spielt jedoch auch bei vielen wichtigen biologischen Prozessen eine entscheidende Rolle. Es steigt beim ersten Tageslicht stark an, um Menschen auf das Aufwachen vorzubereiten.
Wenn die Sonne früher aufgeht, was im Sommer passiert, fallen mittlere Cortisolwerte schnell ab, vor allem die Werte am Morgen. Dies könnte eintreten, um Menschen zu ermöglichen, trotz eines sehr frühen Sonnenaufgangs weiter zu schlafen, aber es gibt vermutlich auch noch andere Gründe hierfür. Die Veränderung der Cortisolwerte ist ein weiterer Indikator für den Körper, dass nun warmes Wetter herrscht.
Das mag vielleicht nur nach kleinen biochemischen Veränderungen klingen, dennoch sind diese sehr wichtig. Das tägliche Zellverhalten des menschlichen Körpers, von Schlafzyklen über Hunger bis hin zu Krankheiten, wird sowohl von der Tages- als auch der Jahreszeit dominiert. Melatonin, GABA und Cortisol sind für viele Zellprozesse wichtig, weshalb saisonale Schwankungen vermutlich mehr Auswirkungen haben, als wir derzeit verstehen. Forscher im Bereich der Chronobiologie untersuchen diese saisonalen Veränderungen in mehreren andauernden Studien in der Hoffnung, dass sie eines Tages Krankheiten besser behandeln können.